Alma Rosé Preisträgerin 2023, Andrea Berger: Darüber spricht man nicht (gern).

Alma Rosé Preisträgerin 2023, Andrea Berger: Darüber spricht man nicht (gern): Österreichische Bundesmuseen und ihre Repräsentation von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, Provenienzforschung und Restitution.

NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter innerhalb der Sammlungen stellen bis heute für fast alle österreichischen Museen eine Herausforderung dar: Unzählige Objekte mit Biografien, die unweigerlich mit der Ungerechtigkeit der NS-Zeit verknüpft sind, befinden sich bis heute in den Museen – sei es, weil die rechtmäßigen Eigentümer:innen bzw. deren Rechtsnachfolger:innen noch nicht ausfindig gemacht werden konnten oder weil ihnen die nötigen Ressourcen fehlen, um die Objekte zu übernehmen. Ebenfalls zu beachten sind jene Objekte, die sich nach erfolgreichen Restitutionen aufgrund von Schenkungen, Leihgaben oder Ankäufen erneut in den Museen befinden oder erst nach 1945 in die Museen gelangen. Nicht nur hinsichtlich dieser Objekte, sondern auch hinsichtlich der Lücken innerhalb von (Schau)Sammlungen, die durch Restitutionen entstanden, drängt sich die Frage auf, die Museen mit diesen Herausforderungen umgehen, die sich in den Bereichen NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter, Provenienzforschung und Restitution ergeben. Die Bundesmuseen sind hierbei keine Ausnahme und unterliegen durch die Verankerung im Bundesmuseen-Gesetz[i] und der damit einhergehenden Verpflichtung zur Einhaltung des Kunstrückgabegesetzes[ii] besonderen Vorschriften, wobei diese keine Empfehlungen zum Umgang mit noch oder wieder in den Sammlungen befindlichen NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern geben. Auch wenn beispielsweise Objekte, die nach Restitutionen ihren Weg erneut in Museumssammlungen fanden, rein rechtlich keinerlei Problem darstellen, bringen sie doch ethische Probleme mit sich. Ausgehend von diesen Rahmenbedingungen wurde der Frage nachgegangen, wie die österreichischen Bundesmuseen betroffene Kulturgüter, Provenienzforschung und Restitution repräsentieren. In die Untersuchung eingeschlossen wurden die Haupthäuser der Albertina, des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM), des Belvedere, des Museum für angewandte Kunst (MAK), des Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (mumok), des Naturhistorischen Museum Wien (NHM) und des Technischen Museums Wien (TMW) inklusiver ihrer Dauer- und Sonderausstellungen, Audio- und Multimediaguides, Kulturvermittlungsprogramme, Veranstaltungen, Publikationen und sonstiger Repräsentationsleistungen, wie z.B. Raumpläne.

Beispiele aus den Ausstellungen

Aufgrund der Kürze des Blogbeitrags, kann an dieser Stelle ausschließlich auf Beispiele aus den Dauerausstellungen eingegangen werden.[iii] Von den sechs untersuchten Bundesmuseen widmet ausschließlich das TMW den Themen NS-Raubgut, Provenienzforschung und Restitution eine eigene, wenn auch kleine Dauerausstellung. In der 2015 eröffneten Ausstellung mit dem Titel „Inventarnummer 1938“[iv] werden nicht nur Ausstellungsstücke gezeigt, deren rechtmäßige Eigentümer:innen noch gesucht werden oder die sich aufgrund einer Schenkung nach einer Restitution wieder im Museum befinden, sondern auch nicht mehr im Museum befindliche, restituierte Objekte durch leere Kisten repräsentiert. Erklärtes Ziel ist es, dass die Ausstellung sich von einer Präsentation der Objekte zu einer Dokumentation der Rückgabe transformiert.[v] Das Design der Ausstellung erinnert an eine begehbare, hölzerne Transportkiste, wie sie häufig von verfolgten Personen auf ihrer Flucht verwendet wurden, und vermittelt ein Gefühl der Beengtheit, das den kuratorischen Ansatz unterstreicht. „Inventarnummer 1938“ ist in die große Dauerausstellung „Alltag – Eine Gebrauchsanweisung“ eingebettet, wodurch einerseits der Bezug zur Alltäglichkeit der Verfolgung, Flucht und Beraubung und andererseits zum NS-Entzug von Alltagsgegenständen (Mobiliar, Musikinstrumente, Automobile etc.) hergestellt wird. Jedes Objekt bzw. jede Objektgruppe innerhalb der Ausstellung wird von zwei Texttafeln begleitet. Die erste Tafel enthält knappe Angaben über die Vorbesitzer:innen, das Erwerbsdatum, die Art des Erwerbs (Schenkung, Leihgabe oder Kauf) und eine kurze Beschreibung des Objekts. Die zweite Tafel befasst sich mit der Provenienz der Objekte, den Biografien der rechtmäßigen Eigentümer:innen und dem Stand der Provenienzforschung, auch wenn dieser teilweise veraltet ist. Zusätzlich werden fotografische Reproduktionen und Dokumente zur Geschichte der Objekte gezeigt. Auf einem Bildschirm innerhalb der Ausstellung wird auf jene entzogene Objekte hingewiesen, die sich in den übrigen Teilen der Schausammlung befinden.

Die 2015 eröffnete Ausstellung „Inventarnummer 1938“ im Technischen Museum Wien. Copyright: Peter Karlhuber.

Darüber hinaus ist das Technische Museum das einzige der untersuchten Museen, das drei NS-verfolgungsbedingt entzogene Objekte in der übrigen Schausammlung sowie im Festsaal als solche kennzeichnet. Neben einem Durchlauferhitzer, der nach der Restitution von den Erb:innen erworben wurde, werden auch die Geschichten der beschlagnahmten Bibliothek des Erdöl-Experten Leopold Singer und die der beschlagnahmten Orgel von Willibald Duschnitz im Festsaal transparent gemacht. Aber nicht alle von den Nazis geraubten Objekte sind für die Besucher:innen des Museums erkennbar: So fehlt zum Beispiel eine klare Darstellung der Objektbiografie des Marcus-Wagen, einem zentralen Stück der Sammlung. Dieses historische Automobil, eines der ersten seiner Art weltweit, war seit der Eröffnung des Museums im Jahr 1918 als Leihgabe des Österreichischen Automobilclubs (ÖAC) ausgestellt. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging das Vermögen des ÖAC im „Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps“ auf, und der Marcus-Wagen wurde dem TMW geschenkt. Ein langwieriger Rechtsstreit zwischen dem „Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touringclub“ (ÖAMTC), dem Rechtsnachfolger des ÖAC, und der Republik Österreich endete 1962 mit einem Vergleich. Mit diesem Vergleich wurde die Vermögensübertragung rückgängig gemacht, das Auto jedoch als Dauerleihgabe im Museum belassen, wo es bis heute ausgestellt ist. Zu den weiteren Objekten ohne explizite Vermerke gehören eine Schreibmaschine, die dem TMW von der NSDAP-Ortsgruppe Hollabrunn gestiftet wurde, sowie eine Büste, die dem Museum 1943 vom „Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik“ geschenkt wurde. Auch wenn die problematische Provenienz der beschriebenen Objekte nicht direkt ersichtlich wird, so ist jedoch auf den bereits erwähnten Bildschirm in der Ausstellung „Inventarnummer 1938“ hinzuweisen, auf welchem die Besucher:innen Informationen zu diesen Objekten erhalten.[vi]

Im Gegensatz zum Technischen Museum Wien widmete das Naturhistorische Museum zum Zeitpunkt der Untersuchung (2019-2020) den untersuchten Themenbereichen nur einen kleinen Teil der Ausstellung mit dem Titel „Die Geschichte des Naturhistorischen Museums Wien – von 1750 bis heute“. Eine Vitrine in dieser Ausstellung deckte den Zeitraum von 1918 bis heute ab, wobei ein wesentlicher Teil der NS-Zeit und ihren Auswirkungen gewidmet war. Eine Texttafel befasste sich mit dem Thema Restitution: „Seit dem Inkrafttreten des Kunstrückgabegesetzes 1998 werden am Naturhistorischen Museum Recherchen zu Objekten angestellt, die im Zuge oder als Folge der NS-Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt sind. Diese werden an die ursprünglichen Eigentümer oder an deren Rechtsnachfolger zurückgegeben“. Auf derselben Tafel wurde auch darauf eingegangen, dass die ausgestellte Replik eines bronzezeitlichen Antennenschwertes als Verweis auf einen Originalgegenstand diente, der 2009 restituiert wurde. Ein weiterer Text befasste sich mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Forschungs- und Sammlungsinitiativen des NHM und ging auf die Beteiligung der deutschen Wehrmacht und der SS an Expeditionen ein, wodurch zahlreiche Objekte aus Polen, Griechenland und der Sowjetunion in die Sammlung des NHM gelangten. Darüber hinaus wurde erwähnt, dass ein Mitarbeiter der Versetzung als Aufseher in das KZ Auschwitz zustimmte, um dort von den Gefangenen Tierpräparate anfertigen zu lassen. Der Text schloss mit folgender Bemerkung: „Im Zuge der Entnazifizierung nach 1946 wurden 40 Bedienstete entlassen. 1947 wurden die am Währinger Jüdischen Friedhof ausgegrabenen Skelette wiederbestattet und 1990 die angekauften Schädel und Totenmasken [jüdischer und polnischer KZ-Häftlinge, Anm. A.B.] an die Israelitische Kultusgemeinde Wien übergeben.“ Weiters wurde der 50. Band der Annalen des NHM aus dem Jahr 1940 gezeigt, in dem der damalige Direktor Hans Kummerlöwe seine Prioritäten klar formulierte: „Der Wissenschaft und Wahrheit! darüber aber: Dem Vaterland, der Nation, unserem Ewigen Großdeutschland“. Nicht nur in diesem Zusammenhang erschien das unkontextualisierte Porträt des überzeugten Nationalsozialisten[vii] Kummerlöwe, das nur wenige Meter neben der beschriebenen Vitrine zwischen den Porträts der weiteren ehemaligen Direktoren hing, Fragen auf.

Aufgang zur Ausstellung „Geschichte des Museum“ im Naturhistorischen Museum Wien. Links im Bild: das Porträt des ehemaligen Direktors Hans Kummerlöwe. Foto von der Autorin (2020).

Der beschriebene Ausstellungsbereich wurde 2021 komplett überarbeitet und die Porträts der Direktoren sowie die selbstkritischen Stellungnahmen zu den Wehrmachtsexpeditionen, den Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz und den Skeletten vom Währinger Jüdischen Friedhof wurden entfernt. Die Repräsentation der untersuchten Themengebiete beschränkt sich nunmehr auf das weiterhin ausgestellte Schwert sowie eine Texttafel im Bereich „Über das Ordnen“, auf der in aller Kürze über den Missbrauch von Ordnungssystemen durch das nationalsozialistische Regime sowie die Provenienzforschung im NHM eingegangen. Zur weiteren Information steht den Besucher:innen ausschließlich ein QR-Code, der auf die Website zum Thema Provenienzforschung verweist, zur Verfügung.[viii]

Ähnlich wie das NHM setzt sich auch das Belvedere in seiner Ausstellung „Geschichte des Belvedere“ mit den Themen NS-Vermögensentzug, Provenienzforschung und Restitution auseinander. Die beiden 2018 eröffneten Ausstellungsräume liegen in der Nähe des Eingangs, sind jedoch ausschließlich durch den Museumsshop zu erreichen. Eine umfangreiche Texttafel in der Ausstellung zeigt eine Zeitleiste, die sich über beide Räume erstreckt und Schlüsselmomente wie die Verabschiedung des Kunstrückgabegesetzes und den Beginn der Provenienzforschung im Jahr 1998 beinhaltet. Hervorgehoben wird hierbei auch die Rückgabe von fünf Klimt-Gemälden an die Erb:innen von Adele und Ferdinand Bloch-Bauer im Jahr 2006. Eine der sechs Konsolvitrinen in der Ausstellung trägt den Titel „Kunstrückgabe seit 1999 / Der Fall Bloch-Bauer“ und widmet sich ebenfalls den Klimt-Gemälden. Im Einführungstext wird erwähnt, dass seit Inkrafttreten des Kunstrückgabegesetzes zahlreiche Kunstwerke restituiert wurden und es wird kurz auf die Rückgabe der erwähnten Gemälde aufgrund einer Entscheidung des Schiedsgerichts im Jahr 2006 hingewiesen. Gezeigt werden eine Kopie des Testaments von Adele Bloch-Bauer, eine Empfangsbestätigung für sechs Klimt-Gemälde, ein Dankesbrief des Belvedere an Ferdinand Bloch-Bauer und einige Gegenstände, die mit dem Rechtsstreit in Zusammenhang stehen, wie eine DVD des Films „Die Frau in Gold“ oder ein Foto des „Ciao Adele“-Plakats, das im Jahr der Restitution von einer Werbefirma zum Zwecke der Eigenwerbung plakatiert wurde.[ix] Für Besucher:innen, die mit dem komplizierten Fall[x] nicht vertraut sind, bieten die in dieser Vitrine ausgestellten Objekte bzw. Texte jedoch zu wenige Informationen, denn weder aus den Objekten noch den Beschreibungen geht hervor, wie diese Werke in den Besitz des Museums gelangten, warum die Erb:innen und das Belvedere jeweils das Eigentum beanspruchten und unter welchen Umständen die Werke schließlich restituiert wurden.

Plakat „Ciao Adele“ der Werbefirma Gewista (2006). Copyright: Manfred Werner.

Ein weiteres Beispiel in dieser Ausstellung ist das restituierte Munch-Gemälde „Sommernacht am Strand“. Gezeigt wird ausschließlich ein Foto der feierlichen Rückgabe des Gemäldes aus dem Jahr 2007, jedoch bleibt die Objektbiografie den Besucher:innen verborgen. Das Werk war 1937 von seiner damaligen Besitzerin Alma Mahler für zwei Jahre an das Belvedere ausgeliehen worden. Das Museum hatte versucht, es über ihren nationalsozialistisch gesinnten Stiefvater zu erwerben, doch Mahler, die aus Österreich geflohen war, lehnte ab. Ihr Stiefvater holte das Kunstwerk jedoch – angeblich in Almas Auftrag – ab und verkaufte es 1940 unter dem Namen von Mahlers Halbschwester an das Belvedere. Nach dem Krieg versuchte Mahler vergeblich, das Gemälde zurückzufordern. Nach einem ebenso erfolglosen Versuch von Mahlers Enkelin im Jahr 1999 wurde die Rechtslage überprüft, was 2006 zur Rückgabe des Gemäldes führte.[xi]

Im Gegensatz zu den Werken von Klimt und Munch werden hinsichtlich eines Buchs aus dem Nachlass von Erich Bien den Besucher:innen Einblicke in die Biografie des Objekts sowie in die Provenienzforschung des Museums geboten. Im Objekttext wird erklärt, dass es sich hierbei um eines von vier zwischen 1939 und 1945 im Buchhandel erworbenen Büchern handelt, die noch nicht restituiert werden konnten, da die Rechtsnachfolger:innen noch nicht ausfindig gemacht werden konnten. Eine weitere Vitrine, die dem Wiederaufbau und der Wiedereröffnung des Museums nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet ist, enthält die Kopie eines Briefes, den der Interimsdirektor des Belvedere im Jahr 1946 geschrieben hat. In diesem Schreiben werden gemäß der „Vermögensentziehungsanmeldeverordnung“ die Kunstwerke aus jüdischem Besitz aufgelistet und die Umstände ihres Erwerbs durch das Museum festgehalten. Dies gibt den Besucher:innen einen Einblick in die verschiedenen Wege, auf denen beschlagnahmte Objekte erworben wurden, und unterstreicht die Rolle der Museen als Nutznießer der NS-Vermögensentziehung.

Außerhalb der Ausstellung „Geschichte des Belvedere“, das mit einer Kontextualisierung seiner Objektbiografie versehen ist. Die Provenienz des gotischen Tafelbildes „Martyrium des heiligen Vitus“ (Innenseite) und „Christus vor Kaiphas“ (Außenseite) wird transparent dargestellt. Eine zusätzliche Texttafel erklärt, dass das Werk 1938 von der Gestapo aus der Sammlung des Juden Friedrich Spiegler beschlagnahmt wurde, 1939 an das Kunsthistorische Museum überwiesen und 1953 an das Belvedere übergeben wurde. 2001 wurde die Rückgabe an die Erb:innen nach Friedrich Spiegler empfohlen, jedoch gelange das Werk 2013 durch Ankauf erneut ins Belvedere.

Neben dem erwähnten Tafelbild befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung (mindestens) fünf weitere Objekte in der Ausstellung, die nach der Restitution wieder in das Museum gelangten, deren problematische Biografie jedoch verschwiegen wird. So wurden beispielsweise Informationen zur Provenienz des Klimt-Gemäldes „Forsthaus in Weißenbach am Attersee I“, das 2001 restituiert, 2003 versteigert und 2018 an das Belvedere verliehen wurde, den Besuchern gegenüber nicht transparentgemacht. Stattdessen gibt es nur einen Hinweis auf die Dauerleihgabe eines Privatsammlers im Jahr 2018.

In der Albertina hingegen fand sich zur Zeit der Untersuchung nur ein einziger Hinweis auf NS-Raubkunst: In der Dauerausstellung „Monet bis Picasso: Die Sammlung Batliner“ werden Werke der Sammlung Othmar Huber gezeigt, die seit Anfang 2020 als Leihgaben zu sehen sind und ursprünglich unter anderem über die nationalsozialistische „Verwertungsstelle“ in Hubers Besitz kamen. Der Ausstellungstext vermittelt dies folgendermaßen an die Besucher:innen: „Othmar Huber konnte erstklassige Qualität erwerben, weil diese noch nicht als Markenzeichen gehandelt wurde. […] Einerseits Werke von Künstlern, die noch nicht in ihrer Bedeutung erkannt waren […] [u]nd andererseits wusste er spezielle Gelegenheiten wahrzunehmen. Dies war der Fall, als die nationalsozialistische „Verwertungsstelle“ 1939 […] „entartete Kunst“ anbot. Huber befürchtete, die Nazis würden die nicht verkäuflichen Werke zerstören, was später tatsächlich geschah.“ Huber jedoch nur als findigen Opportunisten darzustellen, der „entartete Kunst“ vor den Nazis bewahren wollte, anstatt seine Rolle als Nutznießer der Naziherrschaft anzuerkennen, wirft erhebliche Bedenken auf.[xii]

In drei Museen, dem Kunsthistorischen Museum Wien, dem MAK und dem mumok, finden sich keine Hinweise auf NS-Raubkunst, Provenienzforschung und Restitution. Das mumok muss hier als Sonderfall betrachtet werden, da hier einerseits keine Dauerausstellungen gezeigt werden, das Museum erst 1962 gegründet wurde und auf moderne Kunst spezialisiert ist. Dagegen gibt es im KHM und MAK zahlreiche Objekte, deren Geschichte mit der NS-Gewalt verbunden ist. So findet zum Beispiel beim in der Gemäldegalerie des KHM gezeigten Porträt „Graf Philipp Ludwig Wenzel Sinzendorf“ keinerlei Kontextualisierung statt. Das Gemälde befand sich ursprünglich im Schloss Rothschild, das bereits am 14. März 1938 – nur zwei Tage nach dem „Anschluss“ – versiegelt wurde, und wurde im Oktober von Mitarbeitern des KHM in das Zentraldepot[xiii] für beschlagnahmte Sammlungen gebracht. Mit Kriegsbeginn wurde das Kunstwerk an einen geheimen Bergungsort gebracht – ein Jagdschloss, das ebenfalls von Louis Rothschild beschlagnahmt worden war. Nach Kriegsende wurde die Rothschild-Sammlung zwar formal restituiert, jedoch wurden Schenkung für diverse Museen, darunter das KHM, die Albertina, das Belvedere und das MAK, im Gegenzug für eine Ausfuhrgenehmigung der übrigen Werke erpresst. So verblieb das Gemälde 1948 im KHM und wurde später nach den Bestimmungen des Kunstrückgabegesetzes von 1999 restituiert. Die Schenkung von 1948 wurde als unfreiwillig betrachtet. Nach der Restitution im Frühjahr 1999 schenkte die Nichte von Louis Rothschild das Gemälde im Sommer desselben Jahres erneut dem KHM.[xiv]

Portrait des Graf Philipp Ludwig Wenzel Sinzendorf (1671-1742) von Hyacinthe Rigaud. Copyright: KHM-Museumsverband.

Ähnlich wie im KHM verhält es sich mit der Transparenz im MAK. In der Dauerausstellung „Renaissance-Barock-Rokoko“ des MAK befindet sich beispielsweise ein Pokal mit einer Objektbeschriftung, die darauf hinweist, dass er 1948 von David Goldmann gestiftet wurde. David Goldmann hatte Österreich bereits am 11. März 1938 verlassen, woraufhin die Nazis beschlagnahmten und versteigerten seine Wohnungseinrichtung. Zuvor waren 109 wertvolle Gegenstände an das Zentraldepot für beschlagnahmte Sammlungen übergeben worden, darunter auch der heute im MAK befindliche Pokal. Nach Ende des Kriegs wurden die Objekte an Goldmann restituiert. Anders als im Museum, findet das MAK auf der Website klare Worte: „Als David Goldmann die an ihn restituierten Stücke 1948 zu sich nach New York holen wollte, veranlasste das MAK eine Ausfuhrsperre für vier Objekte, die es erwerben wollte: eine Du Paquier-Porzellanterrine, eine Wiener Porzellanstatuette und zwei gravierte Glaspokale. Schließlich kam es zu einem Rückstellungsvergleich. David Goldmann erhielt im Tausch für die vier Objekte eine chinesische Porzellanschüssel und vier Teller der Wiener Porzellanmanufaktur. Am 30. November 2012 sprach sich der Kunstrückgabebeirat für eine Übereignung der vier im MAK befindlichen Objekte unter der Voraussetzung aus, dass die Rechtsnachfolger*innen die erhaltenen Gegenleistungen gemäß § 1 Abs. 2 Kunstrückgabegesetz zurückerstatten. Nachdem dies nicht erfolgte, wurde der Rücktausch nicht vorgenommen.“[xv]

Conclusio

Betrachtet man die über die institutionellen Grenzen hinweg wiederkehrenden Narrative bezüglich der Repräsentation von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, Provenienzforschung und Restitution, so lassen sich drei wesentliche Punkte herausarbeiten: Erstens fällt auf, dass die Bundesmuseen diese untersuchten Themenbereiche in vielen Fällen kaum oder gar nicht repräsentieren. Dieses Schweigen der Museen kann keineswegs neutral betrachtet werden, da dadurch sowohl Teile ihrer eigenen Institutionengeschichte als auch die Geschichten der Objekte und vor allem der Opfer in Vergessenheit geraten. Es liegt in der Verantwortung der Museen, auch die Objektgeschichten und die Geschichten ihrer früheren oder rechtmäßigen Eigentümer:innen zu berücksichtigen. Ihre Ausklammerung fördert das Vergessen einer Zeit, die in Österreich oft ignoriert oder umgedeutet wurde. Zweitens kann festgestellt werden, dass Repräsentationen – wenn sie überhaupt stattfinden – durchaus selbstkritisch und umfassend ausfallen. Verharmlosungen, schwer zu deutende Inhalte und die unkontextualisierte Darstellung eines bekennenden Nationalsozialisten sind zwar Ausnahmen, sollten jedoch an dieser Stelle erneut betont werden. Drittens ergibt sich aus den ersten beiden beschriebenen Herangehensweisen der Museen eine grundlegende Inkonsistenz, die alle Bereiche der Repräsentation umfasst und sich vor allem darin zeigt, dass die Darstellung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, Provenienzforschung und Restitution in fast allen beobachteten Fällen von den übrigen Inhalten abgegrenzt wird. Dieses Vorgehen lässt sich auf verschiedenen Ebenen beobachten: Räumlich werden die Themen getrennt von anderen Ausstellungen behandelt; die Themen werden immer wieder von denselben Mitarbeiter:innen behandelt, die meistens auch ausschließlich dafür zuständig sind; entsprechende Inhalte werden nicht für alle Besucher:innen, sondern für bereits sensibilisierte Personen aufbereitet; auch zeitlich sind die Thematisierungen häufig beschränkt, zum Beispiel in Form von Sonderausstellungen. Die zeitliche Ebene bringt noch eine weitere Facette mit sich: Die Herausforderungen, die sich durch NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut, Provenienzforschung und Restitution ergeben, werden von den Museen häufig als Teil der Geschichte, als Teil der Vergangenheit dargestellt. Aktuelle Fragen und Probleme werden kaum angesprochen und teilweise in die Darstellung der eigenen Geschichte integriert, wie beispielsweise im „Geschichtsraum“ des Belvedere oder im Bereich „Geschichte des NHM“, obwohl es außerhalb dieser Bereiche genügend Beispiele gäbe, anhand derer man sich der Thematik hätte annähern können. Während sich die Museen vielen anderen Bereichen der Gegenwart widmen und aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren, scheint im Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, Provenienzforschung und Restitution eine Historisierung stattzufinden, was zu einer künstlich herbeigeführten zeitlichen Distanzierung führt. Wie zahlreiche Beispiele gezeigt haben, handelt es sich bei den untersuchten Themenbereichen keineswegs um ausschließlich historische Phänomene, sondern um aktuelle Herausforderungen, denen sich die Museen stellen müssen, wenn sie ihrem gesetzlichen Auftrag, “der lebendigen und zeitgemäßen Auseinandersetzung mit dem ihnen anvertrauten Sammlungsgut”, nachkommen möchten. Darüber hinaus spielt die gesellschaftliche und moralische Verantwortung der Bundesmuseen eine wesentliche Rolle, da die von mächtigen Institutionen wie Bundesmuseen vermittelten Narrative, wie bereits zu Beginn erwähnt, einen imaginären Horizont bilden, an dem sich die Menschen politisch, kulturell und sozial orientieren können. Es ist die Aufgabe der betroffenen Institutionen – auch hinsichtlich ihrer eigenen Glaubwürdigkeit –, diese Themen in ihre Repräsentationen einzubeziehen, um die Gesellschaft über diese Aspekte der österreichischen Museums- und Gesellschaftsgeschichte zu informieren und dem Vergessen entgegenzutreten. Schlussendlich bleibt festzustellen, dass die Museen und ihre heutigen Mitarbeiter:innen nicht für ihr schwieriges Erbe verantwortlich gemacht werden können, jedoch kann sehr wohl der Anspruch erhoben werden, dass die Museen mit diesem Erbe gewissenhaft und transparent umgehen und dazu beitragen, dass sich das Geschehene niemals wiederholt.


[i] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001728

[ii] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010094

[iii] Für detaillierte Beschreibungen der Ausstellungen bzw. Analysen sonstiger Repräsentationsformen sei auf jene Masterarbeit, der dieser Text zugrunde liegt, verwiesen: https://services.phaidra.univie.ac.at/api/object/o:1366401/get

[iv] Klösch, Christian: Inventarnummer 1938. Provenienzforschung am Technischen Museum Wien (2015)

Wien; https://www.technischesmuseum.at/ausstellung/inventarnummer_1938

[v] Klösch, Christian: „Von ‚Russenbriefen‘ und ‚Durchlauferhitzern‘. Provenienzforschung im Technischen Museum Wien mit Österreichischer Mediathek“, Neues Museum 13–3/4 (2013)

[vi] An dieser Stelle soll der 2023 abgebaute Ausstellungsbereich in der Nähe des Festsaals nicht unerwähnt bleiben. Er wurde anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Museums 2009 eröffnet und widmete sich vorrangig Objekten aus der Sammlung des 1942 ermordeten Technikhistorikers Hugo Teodor Horwitz. Darüber hinaus wurde eine künstlerische Intervention von Miriam Bajala gezeigt: Eine verspiegelte Glaswand und Klanginstallation erinnerte an die ursprüngliche Ehrentafel des Museums, welche vom jüdischen Industriellen Bernhard Wetzler und dem Bankhaus Rothschild gewidmet wurde, jedoch während der NS-Zeit entfernt und ersetzt wurde.

[vii] https://www.lexikon-provenienzforschung.org/kummerloewe-hans

[viii] https://www.nhm-wien.ac.at/forschung/provenienzforschung

[ix] https://www.derstandard.at/story/2361793/ciao-adele-geheimnis-gelueftet

[x] In aller Kürze: https://de.wikipedia.org/wiki/Adele_Bloch-Bauer_I#Geschichte_des_Bildes_und_Provenienz

[xi] https://www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Mahler-Werfel_Alma_2006-11-08.pdf

[xii] https://www.fr.de/kultur/kunst/genauer-hingesehen-11207518.html

[xiii] https://www.zdk-online.org/das-zentraldepot/

[xiv] https://retour.hypotheses.org/1330

[xv] https://www.mak.at/jart/prj3/mak-resp/main.jart?rel=de&content-id=1343388632775&reserve-mode=active&article_id=1615905294874

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